Fore-Edge-Painting | Zusammenarbeit mit Buchbindeatelier Roland Meuter (Weggis, Schweiz)

In diesem Beitrag wird die seit Mitte des 17. Jahrhunderts bekannte Technik des Fore-Edge-Paintings (auch bekannt als Unterbemalter Goldschnitt, Unterschnittmalerei) an einem konkreten Beispiel erläutert.


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Um ein Buch in der Technik des Fore-Edge-Paintings fertigzustellen, arbeiten meist 2 Leute zusammen:

1 Buchbinder mit Spezialgebiet Handvergoldung (hier: Roland Meuter, Weggis, Schweiz)
1 Illustrator mit Erfahrung im Bereich Miniaturmalerei

Sämtliche buchbinderische Arbeiten und die Vergoldungen erfolgten durch das Buchbindeatelier Roland Meuter (Weggis Schweiz).
Weitere Informationen zur Technik: www.rmeuter.ch

Die Bemalungen der Bücher (Wolfram von Eschenbach, Parzival) erfolgten durch Nikolas Hönig, Essenheim (www.hoenig-grafik.de).
Die Umsetzung fand statt im Rahmen des Stipendiums Kunstzeit der Bayern-Pfalz-Stiftung München, welche das Projekt finanziell unterstützt hat.

Alle Abbildungen und Texte in dieser Dokumentation unterliegen dem Urheberrecht und dürfen ohne schriftliche Genehmigung nicht weiter genutzt oder verfielfältigt werden.
Copyright für diese Dokumentation © Nikolas Hönig, Essenheim 2023.

 

Fore-Edge-Painting – Die Technik

Bei der Unterschnittmalerei, auch Fore Edge Painting oder Unterbemalter Goldschnitt genannt, handelt es sich um eine besonders aufwendige Form der Buchschnittverzierung.
Ist das Buch geschlossen, sieht man nur einen gewöhnlichen Goldschnitt, fächert man das Buch am Vorderschnitt auf, kommt eine unter dem Goldschnitt liegende Bemalung zum Vorschein.
Um diesen Effekt zu erzielen, wird zunächst der Vorderschnitt eines Buches schräg aufgefächert, fixiert und in diesem Zustand mit einer Aquarellmalerei versehen.

Danach wird das Buch aus den Zwingen gelöst und vom Handbuchbinder in normalem, das heißt geschlossenem Zustand mit einem Goldschnitt versehen, der über der Miniaturmalerei liegt.
Durch die Tatsache, daß die Aquarellmalerei in schräg aufgefächertem, der Goldschnitt allerdings in geschlossenem Zustand aufgebracht wird, erklärt sich oben beschriebener Effekt, dessen Reiz im changierenden Wechsel von Goldschnitt und Aquarellmalerei besteht.

Für das Gelingen einer Unterschnittmalerei bedarf es bestimmter technischer Voraussetzungen. So verwendet man beispielsweise ausschließlich Dünndruckpapier, welches beim Auffächern und Bemalen einen gleichmäßigen Malgrund bietet. Zum einen wird dadurch ein Hineinfließen der Farbe in die Seiten unterbunden, zum anderen erzielt man nach Fertigstellung des Buches einen sanfteren, weicheren Übergang von Goldschnitt zu Aquarellmalerei.
Ist der Farbauftrag zu dünnflüssig, erhöht sich die Gefahr der Wellenbildung des empfindlichen Papieres und damit des Einziehens der Farbe zwischen die Seiten. Ist er zu dickflüssig, verkleben die Seiten miteinander durch den in der Aquarellfarbe enthaltenen Anteil an Bindemitteln.

 

Fore-Edge-Painting – Das fertige Buch

Abbildung 1: Bei geschlossenem Buchblock ist keine Bemalung erkennbar

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Abbildung 2: Durch leichtes Auffächern kommt das Aquarell allmählich zum Vorschein

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Abbildung 3: Der Eindruck des Goldes weicht – Die Unterbemalung tritt deutlicher hervor

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Abbildung 4: Schließlich ist die Miniaturmalerei klar erkennbar und lädt zum Betrachten ein

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Fore-Edge-Painting – Die Arbeiten des Illustrators in Einzelschritten

 

Abbildung 5: Durch den Buchbinder vorbereitetes Buch. In diesem Zustand bekommt der Miniaturmaler das Buch zur weiteren Bearbeitung.
Das Buch ist noch nicht vergoldet, der Vorderschnitt ist leicht gerundet und fein geschliffen.
Kopf- und Fußschnitt sind noch nicht beschnitten. Das sollte man für die Ränder seines Bildes beachten, falls dort feine Details liegen sollten.

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Abbildung 6: Die Buchdeckel sind in dieser Buchbindetechnik (Halbfranzband) so mit dem Buchblock verbunden, dass sie sich leicht hinten klappen lassen.

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Abbildung 7: Das Buch wird jetzt für die Bemalung vorbereitet. Es wird vom Illustrator schräg aufgefächert und mit Zwingen und untergelegten Pappstreifen fixiert.
Dieser Schritt sollte mit Sorgfalt durchgeführt werden: die Seiten sollen gleichmäßig aufgefächert werden und es dürfen keine »Treppchen« oder Lücken entstehen.
Dort würde die Farbe bei der Bemalung in den Buchblock einziehen und das soll verhindert werden. Es gilt zu beachten, dass es keine Korrekturmöglichkeiten gibt.

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Abbildung 8: Arbeitsuntensilien für die Bemalung: Aquarellfarben, Bleistift, Pinsel, Spitzer, Pappen und das Buch zum Bemalen

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Abbildung 9: Um einen groben Anhaltspunkt für den Motivbestand zu haben, kann man sich auf einem separaten Papier eine grobe Skizze anfertigen.
Diese Skizze kann sich an den Proportionen des aufgefächerten Buchschnitts orientieren.
Anschließend kann es direkt losgehen mit der Bemalung. Die Ausgestaltung der Details erfolgt direkt beim Bemalen.

 

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Abbildung 10: Eingespanntes Buch mit Bemalung in der Entstehungsphase

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Abbildung 10: Eingespanntes Buch mit fertiger Bemalung

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Fore-Edge-Painting – Das bemalte Buch ist fertig und geht zum Buchbinder

Abbildung 11: Ausgespanntes Buch mit fertiger Bemalung in aufgefächertem Zustand

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Abbildung 12: Ausgespanntes Buch mit fertiger Bemalung und zugeklappten Deckeln. Das Buch ist jetzt bereit für die Übergabe an den Buchbinder

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Jetzt geht das Buch zur weiteren Bearbeitung wieder zurück an den Buchbinder.
In zahlreichen Arbeitsschritten wird es fertiggestellt: Das Buch wird als Halbfranzband umgesetzt.
Die Schnitte werden mit Weißgold vergoldet und anschließend mit einem Achat poliert.
Kopf- und Fußschnitt werden nach der Vergoldung gehämmert, das Kapital wird handgestochen.

 

 

Fore-Edge-Painting – Das fertige Buch

Der Buchbinder hat das Buch jetzt fertiggestellt.
Die Malerei ist mit Blattgold bedeckt. Im geschlossen Zustand ist die Miniatur nicht mehr sichtbar.
Erst beim Auffächern des Buches kommt sie wieder zum Vorschein.

Nachfolgend sind neben den Aufnahmen, die das gesamte Buch zeigen, noch weitere Detailaufnahmen zu sehen.
Hier wird die handwerkliche Verarbeitung durch den Buchbinder deutlich.
Wer sich für die technischen Abläufe des Buchbinders interessiert, findet auf der Homepage des Buchbinderateliers Roland Meuter weitere Informationen:

www.rmeuter.ch

 

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Um das Buch zu schützen, wird ein fester Schuber auf Maß gebaut und mit hachdünnem Holzfurnier bezogen.
Da der Parzival in dieser Ausgabe aus 2 Bänden besteht, sieht man auf den folgenden Bildern die komplette Ausgabe.

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Detailaufnahmen des fertigen Buches.

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Kontakt

Nikolas Hönig
Illustration und Grafik-Design
Käferbeinstraße 21
55270 Essenheim
E-Mail: info@hoenig-grafik.de
Internet: www.hoenig-grafik.de

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